Anlassen - INDUCTOHEAT Europe
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Anlassen

Das Anlassen (Entspannen) führt zur Veränderung des Martensitgefüges. Der Martensit erfährt eine erhebliche Entspannung, ohne dass eine nennenswerte Härteminderung eintritt. Das Anlassen wird je nach Gehalt an Legierungselementen und Kohlenstoff im Temperaturbereich von 100 bis 350 °C, bei hochlegierten Stählen bis 600 °C durchgeführt. Das Verfahren wirkt sich sehr günstig auf die mechanischen Eigenschaften (Dehnung und Zähigkeit) aus. Das Werkstück ist weniger schlagempfindlich und Risse sind kaum noch zu erwarten.

Anlassen definiert gemäß DIN EN 10052:
Ein- oder mehrmaliges Erwärmen eines gehärteten Werkstücks auf eine vorgegebene Temperatur unterhalb des Ac1 Punktes, Halten auf dieser Temperatur (z. B. 180 °C) und anschließendes zweckentsprechendes Abkühlen.

Den kombinierten Vorgang des Härtens und Anlassens bezeichnet man als Vergüten.

Warum wird angelassen?

Beim Abschrecken bildet sich in den Außenbereichen des Werkstücks (die schnell genug abkühlen) Martensit. Ab einem Kohlenstoffanteil von 0,6 % ist allerdings noch mit einem Anteil an Restaustenit zu rechnen. Die Umwandlung dieses Restaustenits erfolgt verzögert und wird von einer Volumenvergrößerung begleitet. Diese Volumenvergrößerung führt zu beträchtlichen Spannungen im Werkstück mit der Gefahr des Verzugs und der Bildung von Rissen. Stahl ist in diesem nur abgeschreckten Zustand sehr hart und spröde und für technische Verwendungen nur bedingt brauchbar; er wird dann als „glashart“ bezeichnet.

  • Die gehärtete Oberflächenschicht eines Werkstücks weist je nach Kohlenstoff-Gehalt eine hohe Härte, bei geringer Zähigkeit und mit sehr hohem Eigenspannungsanteil auf
  • Die Härteschicht neigt besonders ab einem C-Gehalt > 0,55 % zu Rissen
  • Die Rissgefahr steigt mit höherem Legierungsgehalt auf Grund der geringeren Wärmeleitfähigkeit (z. B. Chrom und Mangan)
  • Das Anlassen erfolgt aus nachfolgenden Gründen:
    – Vermeidung von Rissen im Werkstück
    – Abbau von Spannungen ohne großen Verlust der Oberflächenhärte
    – Minderung der Risiken bei der weiteren Bearbeitung wie z. B. Schleifen

Beim Anlassen (auch Tempern genannt) kann die Sprödigkeit vermindert und die gewünschten Gebrauchseigenschaften (Härte, Zugfestigkeit und Zähigkeit) des Stahls eingestellt werden. Der Stahl wird dabei – abhängig von den Legierungsanteilen und den gewünschten Eigenschaften – nochmals erwärmt. Somit entsteht die gewünschte Gebrauchshärte: Je höher die Anlasstemperatur, desto geringer die Härte und desto höher die Zähigkeit.

Was und wann wird angelassen?

  • Angelassen werden sollten alle Bauteile unmittelbar nach dem Härten:
    • Besonders Bauteile mit komplexer Geometrie und Kerbwirkungseffekten, hohem C-Gehalt (ab 0,45 % C), legierte und hochlegierte Werkzeugstähle
    • Getriebeteile, Sinter-Werkstücke, Antriebselemente, Bauteile mit großen Abmessungen, Automobilteile, u. s. w.
    • Verzichtet werden kann unter Umständen auf das Anlassen bei Werkstücken aus Stählen mit niedrigem C-Gehalt (z. B. C35), aber nur bei einfachen Bauteilen wie glatten Wellen oder Bolzen, bei denen der partiell oberflächengehärtete Anteil an der Gesamtoberfläche sehr klein ist